Donnerstag, 3. August 2006

Mentaler Stromausfall

Ich finde Anrufbeantworter ja toll. Man kann zum Beispiel einfach im Hochbett liegen bleiben, wenn das Telefon auf sich aufmerksam macht, und man erfährt durch den knackenden Lautsprecher doch, was in der Welt seines eigenen beschränkten kleinen Universums passiert. Und man kann dann in Ruhe entscheiden, ob man noch rechtzeitig zum Mittagessen bei den Eltern erscheinen will oder ob man aus Prinzip überhaupt mit der frohlockenden Person am Telekommunikationsgerät reden will. Aber über diesen Inabwesenheitnachrichtenaufzeichnungsgeräte liegt auch von Anruf zu Anruf abhängiger Fluch. Gestern Abend komme ich nach Hause und werde von der Stimme meiner potentiellen zukünftigen Chefin begrüßt. Dringend solle ich sie zurückrufen. Sie sagt keinen Grund, aber zwischen ihren Worten bleibt jede Menge Platz zur Interpretation. In unsicheren Zeiten, bin ich es auch. Es ist schon früher Abend und sie natürlich nicht mehr zu erreichen. Wie soll ich später nur schlafen können? Hätte nicht ein Stromausfall die Stimme aus dem digitalen Off in Kästchenform mit Knöpfchen vernichten können? Ich lege mich in die Badewanne mit einem Kirschbier zur Beruhigung. Mit mir liegt der frühe Herr Lehmann in der Badewanne, der über seine ersten Tage bei der Bundeswehr nachdenkt. Der hats auch nicht leicht. Das Telefon klingelt. Diesmal gebe ich der Maschine keine Chance und falle ihr ins geplante Wort, bevor ihre Zeit gekommen ist. Der Tänzer fragt, was ich mache und kündigt an, vorbeizukommen. Auch in seiner Stimme liegt etwas, aber ich frage ihn lieber nicht, was er bewusstseinsstimulierendes miss- oder gebraucht hat. Ablenkung muss her und ich verlasse mit Herrn Lehmann, der noch Frank heißt, die Badewanne, er soll mit seinen Eltern zu Abend essen. Später spaziere ich mit dem Tänzer durch die Stadt und er erklärt mir mal wieder, dass sie ihm keine Zukunft zu bieten hat. Vielleicht hat sich ja heute meine bei mir gemeldet und will nichts mehr von mir wissen? Er kauft mir bei McDonalds ein Eis und wir setzen uns auf eine Bank. Auf der anderen Straßenseite ist eine Dönerbude und er erzählt mir, dass im Videotext oft zu lesen sei, dort drüben finden Schießereien statt. Manchmal kann ich ihm nicht glauben. Wir laufen weiter auf der Suche nach einem Sinn, den man diesen Abend unterjubeln könnte. Doch auch im Pub finden wir nur Guinness und Cider. Warum er mich unbedingt nach Hause bringen wollte, verstehe ich nicht, lässt er dann doch die sich bietende Gelegenheit verstreichen. Dinge müssen sich ändern, denke ich mir, und nachdem ich noch ein paar Seiten gelesen habe, kann ich doch schlafen. Recht gut sogar, ich träume nicht von Telefonen oder einstürzenden Türmen, sondern nichts.
Ich rufe sie also an, die Stimme, die mir meine Zukunft versprach, an das schlimmste denkend. Doch alles klärt sich, die Zukunft will mich schon eher im Ernstfall erleben. Und ich sage ihr „Klar. Ich werde das sein.“

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