Montag, 28. August 2006

Leben in der Frischhaltedose

In meiner letzen Call Center-Stunde Nummer 14 vor 0 war ich sehr müde. Seit sechs Uhr in der zeitigen Früh, ich hatte Stunden weniger als mein gesundes Schlaflimit geschlafen, weckte mich von Zeit zu Zeit das Telefonklingeln aus meinen Träumen von einem Bett. In besagter Stunde 14 vor 0 unterbrach Herr E. aus P. meinen ungerechterweise nichteintretendürfenden Schlaf. Herr E. hatte ein Problem von unabdingbarer, schier unbegreiflicher Wichtigkeit, dass ich mit beiden Füssen fest auf den Boden der Tatsachen trat, um die Welt anzuhalten, die sich um meinen Bürodrehstuhl drehte.
Beim zu bedienstleistenden Fernsehsender im Dienste des Konsums hatte P. ein Set Frischhaltedosen gekauft, dass nun seine Essensreste mollig lagern sollte. Es begab sich, dass ein Aufkleber, auf dem Deckel einer Dose angebracht, der den Namen des Herstellers ins Gedächtnis des Doseninhabers einbrennen sollte, das ästhetische Frischhaltedosenempfinden des Herrn E. in großen Ausmaß störte. Der Aufkleber muss weg, dachte sich Herr E. und das Unheil nahm seinen Lauf. An der Stelle, an der sich der Aufkleber befand, kleben nun Rückstände des Aufklebers vor sich hin, die sich vehement währen, sich entfernen zu lassen. Herr E. hat alles versucht, doch ohne Erfolg. Die Rache des Klebers muss ein herber Schlag für ihn sein. Dermaßen vom Leben gebeutelt, wusste Herr E. weder ein noch aus und rief bei der Hotline des zu bedienstleistenden Fernsehsenders an. Ich war nun heute die Auserwählte, die damit umgehen musste, dass obwohl Herr E. bereits vor drei Tagen mitgeteilt hat, dass er dringend einen Tipp vom Hersteller der Frischhaltedosen braucht, wie er diese ungeheuerlichen klebenden Rückstände beseitigen kann, sich aber noch nichts zu seiner Zufriedenheit in dieser Angelegenheit getan hat. Immer und immer wieder erzählte Herr E. mir von den Umständen, die sein Leben nun begleiten. Es klebt. Dem Mann muss dringend geholfen werden, vermerkte ich im Reklamationssystems, was hätte ich anderes tun sollen.
Nun sind es noch dreizehn Stunden, die mich von meinem letzten Anrufer trennen. Liebe Frauen und Herren Es , ich weiß nicht, wie euer Leben ohne Telefonhotlines wäre. Aber es wäre nicht mein Leben. Ich werde euch vermissen.

...

i am slowing down
as the years go by
i am sinking

so i trick myself
like everybody else

the secrets i hide
twist me inside
they make me weaker

so i trick myself
like everybody else

i crouch in fear and wait
i'll never feel again...
if only i could remember
anything at all


The Cure - Sinking

Gute Nacht!

Mad World

Where is my mind? Tanzend schlängeln wir uns aneinander vorbei und schauen uns in die Augen. Yeah. Der gefallene Engel hat sichtlich gute Laune. Um den Kummer der Welt muss sich heute ein Anderer kümmern. Ich freue mich, irgendwie.
Später gibt mir TobymitYpsilon an der Bar ein Bier aus. Das mache mich noch sympathischer, dass ich ein Bier möchte, sagt er, und das mein Lächeln ihn umhaut. Der Abend will genutzt werden, benutzt werden. Zum dritten Mal gibt TobymitYpsilon mir seine Telefonnummer. Alkohol scheint Lücken in sein Kurzzeitgedächtnis zu sprengen. Mir egal. Ich bin nicht betrunken, aber irgendwas stellt mit mir an, dass ich neben mir stehe. Und ich habe Spaß dabei. Weil ich nicht noch einen vierten Zettel mit seiner Telefonnummer einstecken möchte, flüchte ich auf die Tanzfläche. Ich sehe, wie er bei der Nächsten sein Glück versucht. Es ist die Tanzmaus und ich beobachte sie, wie sie TobymitYpsilon wieder in meine Richtung dirigiert. Schließlich ist sie vergeben. Und zwar so sehr, dass sie noch nicht einmal mit anderen Männern spricht, als mit dem PsychoEx. Ein Lichtstrahl fällt durch die Vorhänge und bald wird auch hier das Licht angehen. Ich verabschiede mich von TobymitYpsilon, dem der Sinn nach Knutschen steht und der mit mir nächste Woche gern ins Autokino fahren würde.
Möchtest du, dass ich mit zu dir komme, fragt mich der gefallene Engel. „Wenn du willst, kann ich mit zu dir kommen. Aber ich kann dir nicht versprechen, dass da was läuft“, sagt Renton zu Diane und sie steigen ins Taxi. Und mir ist, als hätte ich nie etwas anderes gewollt.
Erst am Abend fällt mir auf, dass da eine zweite Zahnbürste in meinem Zahnputzbecher steht.

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